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Klienteninformation, verfaßt von Mag. Johannes Meller
Ausgabe Nr. 57 vom August 2014

Inhaltsverzeichnis:

1. Die Finanzstrafgesetznovelle 2014
2. Anspruchszinsen des Finanzamts an Putzfrau - Nachsichtsansuchen
3. Angst vor höheren Zinsen führt manche Schuldner auf Abwege
4. Vorsicht bei Erhöhung eines Kontoüberziehungsrahmens

 

1.   Die Finanzstrafgesetznovelle 2014

 

Bisher waren bei einer Selbstanzeige vor Beginn einer Betriebsprüfung nur Verzugszinsen für die Steuernachzahlung zu entrichten. Wer ab 1. Oktober 2014 erst Selbstanzeige erstattet, wenn sich die Finanz zwecks Steuerprüfung angemeldet hat, muß einen Strafzuschlag zahlen. Der Strafzuschlag richtet sich nach der Höhe der Abgabenschuld.

In § 29 Abs 6 FinStrG ist eine strafbefreiende Wirkung bei Selbstanzeigen anlässlich finanzbehördlicher Prüfungsmaßnahmen (Nachschauen, Beschauen, Abfertigungen oder Prüfungen), die nach der Ankündigung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet werden, nur noch dann vorgesehen, wenn auch rechtzeitig ein nach der Höhe der verkürzten Abgaben gestaffelter Zuschlag entrichtet wird. Der Zuschlag beträgt 5% bei einem sich aus der Selbstanzeige ergebenden Mehrbetrag bis € 33.000,–, 15% bis € 100.000,–, 20% bis € 250.000,– und 30% bei darüber hinausgehenden Mehrbeträgen. Diese Zuschläge sind von der Abgabenbehörde bescheidmäßig festzusetzen und nur bei vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Finanzvergehen zulässig.

Das Finanzministerium rechnet mit „Vorzieheffekten“ von zusätzlichen rund 150 Millionen € für das heurige Budget. Ab 2015 sollen die strengeren Regeln dem Fiskus 30 Millionen € mehr pro Jahr bringen.

Weiters entfällt die Möglichkeit der wiederholten Selbstanzeige.  Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Sperrgründen in § 29 Abs 3 lit a–c FinStrG sieht der neue § 29 Abs 3 lit d FinStrG einen weiteren Sperrgrund vor, wenn hinsichtlich desselben Abgabenanspruchs (ausgenommen Vorauszahlungen) bereits eine Selbstanzeige eingebracht wurde. Diese Sperrwirkung gilt verschuldensunabhängig. Bisher konnte bei einer weiteren Selbstanzeige durch Entrichtung eines 25%igen Zuschlags dennoch Straffreiheit erlangt werden (§ 29 Abs 6 FinStrG). Durch den Entfall der Möglichkeit einer wiederholten Selbstanzeige soll bewirkt werden, dass die Offenlegung in einer Selbstanzeige vollständig und nicht je nach Entdeckungsrisiko bloß teilweise erfolgt.

 

2.   Anspruchszinsen des Finanzamts an Putzfrau - Nachsichtsansuchen

Es gibt sie doch, Putzfrauen mit Gewerbeschein. Ich habe seit 2009 eine Raumpflegerin mit Gewerbeschein beschäftigt, zur Zeit eine Nachfolgerin auch mit Gewerbeschein.

Aber es wird Putzhilfen vom Finanzamt nicht leicht gemacht. Meine Putzkraft hat die Einkommensteuererklärung 2006 fristgerecht am im April 2007 eingereicht, allerdings ohne eine Steuernummer anzuführen, da sie vorher noch nicht die Vergabe einer Steuernummer beantragt hat. Der Einkommensteuerbescheid 2006 wurde erst nach 2 Jahren und 3 Monaten im Juli 2009 erlassen. Das Finanzamtscomputersystem bzw. das Bundesrechenzentrum erläßt automatisch einen Bescheid über die Vorschreibung von Anspruchszinen für 2006 in Höhe von rund € 79,-
Meine Klientin hat keinen Steuerberater mit dem Erstellen ihrer Steuererklärung beauftragt, weil sie diese Kosten von Ihrem Einkommen nicht tragen konnte - es war ihr unbekannt, daß ab 1.10.2007 Anspruchszinsen zu laufen beginnen. Es war ihr auch nicht zuzumuten, als Inhaberin eines Gewerbescheins für einfache Reinigungsarbeiten diesbezüglich Erkundigungen einzuholen. Es ist nicht in ihrem Einflussbereich, ob und wann die Finanzverwaltung einen Einkommensteuerbescheid erläßt oder nicht erläßt. Sie hat sich keinerlei Unterlassung oder Fristversäumnis zuschulden kommen lassen. Das Finanzamt hat keinerlei weitere Informationen von meiner Klientin angefordert. Sie konnte nicht wissen, daß die Veranlagung sich noch solange weiter hinziehen würde und daß ihre vollständige Steuererklärung 2006 mehr als zwei Jahre liegengelassen wird.

Es ist nicht einzusehen, wieso ein Unterlassen des Finanzamts, nämlich das Unterlassen der Veranlagung der Einkommensteuererklärung 2006 innerhalb eines zumutbaren Zeitraums von 6 Monaten nach Einlangen, zu einem Schaden für meine Klientin führen sollte - meine Klientin muss 10 Stunden an Reinigungstätigkeiten arbeiten, um € 80 Umsatz zu erzielen. Meine Berufung wurde abgewiesen, ich habe im Dezember 2009 einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde 2. Instanz, dieser Antrag ist liegengeblieben, wurde nicht bearbeitet.

Unerwarteterweise kam im Oktober 2012 ein Anruf, und nach einem weiteren Schreiben, einem Nachsichtsansuchen, hat das Finanzamt € 79,- dem Steuerkonto meiner Klientin gutgeschrieben. Der Vorlageantrag an die 2. Instanz ist anläßlich der Übersiedlung des Finanzamts in das Finanzzentrum Wien-Mitte wieder aufgetaucht. Es geschehen noch Wunder - ein Dank an das menschliche Handeln dieses Finanzamtsmitarbeiters.

 

3.   Angst vor höheren Zinsen führt manche Schuldner auf Abwege

Quelle: FAZ vom 16.08.2014, Die Vermögensfrage, von Volker Looman, Finanzanalytiker in Bremen

Die Gefahr steigender Zinsen lässt sich nur mit Hilfe langer Bindungsfristen und hoher Tilgungen lösen.

Das Zinsänderungsrisiko ist in doppelter Hinsicht ein Ungetüm. Zuerst drei Substantive auf einen Schlag und dann auch noch Gefahr beim Umgang mit Geld! Das ist für die meisten Menschen, die eigentlich "nur" Ruhe haben wollen, ein bisschen viel auf einmal. Trotzdem müssen sie - egal ob Anleger oder Schuldner - mit der Erscheinung leben, dass sich Zinsen ändern. Genauso müssen sie das ständige Auf und Ab ertragen. Falls bei Geldanlagen der Zins sinkt, fehlt Geld im Beutel, und wenn bei Krediten der Zins steigt, fehlt ebenfalls Geld in der Kasse. Die beiden Schwankungen sind alte Kamellen. Neu ist freilich, dass die Zinsen seit Jahren im Keller sind, und ungewohnt ist für viele Privatleute die Frage, wie sie mit diesem Phänomen umgehen. Wie geht zum Beispiel eine junge Familie mit der "Verlockung" um, dass die Kredite für Eigenheime lediglich 2 bis 3 Prozent kosten, und was macht ein Pensionär, der für seine Anleihen nur noch Zinsen um den Nullpunkt herum bekommt? Die beiden Probleme stehen im Mittelpunkt dieser und der nächsten Vermögensfrage.

Die Zinsen für Kredite scheinen im Augenblick besonders günstig zu sein. Darlehen mit einer Zinsbindung von fünf Jahren kosten 1,5 Prozent pro Jahr, und Hypotheken mit einer Zinsbindung von 20 Jahren sind für 3 Prozent pro Jahr zu haben. Vor fünf Jahren sahen die Konditionen ganz anders aus. Damals schlugen die "kurzen" Kredite mit 4 Prozent zu Buche, und für die "langen" Kredite mussten die Leute jährlich 5,5 Prozent auf den Tisch legen. Die Preisrückgänge um 63 beziehungsweise 45 Prozent mögen den Anschein erwecken, dass die Kreditzinsen ihre Gefährlichkeit verloren haben, doch das ist ein Trugschluss. Erstens sind die Vorteile durch höhere Immobilienpreise geschmälert worden, zweitens können die aktuellen Sätze wieder steigen, und drittens bergen die niedrigen Zinsen die Gefahr in sich, dass sich junge Leute über beide Ohren hinaus verschulden.

Der dritte Punkt ist die mit Abstand größte Gefahr, und das Problem wird in wenigen Zahlen deutlich. Wer heute 100 000 € aufnimmt und den Sollzins zehn Jahre festschreibt, muss jährlich 2 Prozent bezahlen. Zuzüglich der üblichen Tilgung von 1 Prozent kommen unter dem Strich jährlich 3 Prozent zusammen. Das sind 250 € pro Monat. Werden also 300 000 € benötigt, liegt die monatliche Rate für Zins und Tilgung bei 750 €, und das weckt in vielen Haushalten, vor allem in Schwellenhaushalten, die große Hoffnung, der Traum vom Eigenheim sei keine Schnapsidee, sondern könne in Kürze doch Wirklichkeit werden. Die kleine Rechnung ist zwar richtig, doch sie hat einen großen Haken. Der Kredit läuft 55 Jahre, so dass junge Leute, die 30 Jahre alt sind, ihren Arzt oder Apotheker fragen sollten, wie es um ihre Lebenserwartung bestellt ist. Ergänzend sollten sie sich mit der Frage beschäftigen, wie sie mit der Gefahr umgehen, bis zum Lebensende viermal vor dem Risiko zu stehen, dass die Kreditzinsen steigen.

In zehn Jahren wird die Restschuld noch 89 000 € betragen. Sollte zu diesem Zeitpunkt der Anschlusszins auf 3 Prozent geklettert sein, werden die Folgeraten auf 306 € steigen, und bei einem Prolongationszins von 4 Prozent werden 380 € zusammenkommen. Die neuen Raten werden Leute, die keine Reserven haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Verkauf des Hauses zwingen, und selbst Menschen, welche die finanziellen Mittel haben, werden zu einem späteren Zeitpunkt vor demselben Problem stehen, wenn das Eigenheim der einzige Vermögenswert bleiben wird, der im Alter versilbert werden kann, um die gesetzliche Rente aufzubessern.

Die Gefahr der Überschuldung und das Risiko der Zinsänderung lassen sich mit zwei Handgriffen beseitigen. Das ist auf der einen Seite die Begrenzung der Tilgungsdauer auf beispielsweise 40 Jahre, und das ist auf der anderen Seite die Entscheidung, ob in dieser Zeit die Tilgung der Schulden und der Aufbau von Zusatzvermögen parallel verlaufen oder hintereinandergeschaltet werden. In der Schweiz zum Beispiel ist es seit Jahrzehnten guter Brauch, die Darlehen fürs Eigenheim nur mäßig zu tilgen. Folglich sind Laufzeiten von 30 oder 40 Jahren in der Schweiz keine Seltenheit. Den Eidgenossen ist es - salopp formuliert - ziemlich egal, nur schleppend Eigentümer ihrer Liegenschaften zu werden. Sie begnügen sich mit dem Gefühl, in einem Haus ihrer Wahl zu leben, und sie leben bestens damit, den "Preis" für diesen Komfort in Form von Bankzinsen zu bezahlen. Viel wichtiger ist ihnen der Aufbau freier Vermögen in Form von Aktien und Obligationen. Dafür geben sie viel Geld aus, und der Erfolg im Ruhestand zeigt, dass diese Strategie nicht die schlechteste Lösung ist.

Hierzulande ticken die Uhren anders. Der Deutsche liebt weder Vermieter noch Banker. Genauso sind ihm Zinsänderungen und Kursschwankungen ein Dorn im Auge. Er will Berechenbarkeit und Sicherheit zugleich. Das sollte zur Folge haben, zuerst alle Darlehen zu tilgen und danach das Zusatzvermögen aufzubauen. Konkret heißt das, die Laufzeit des Kredites auf 15 bis 20 Jahre zu begrenzen und die Kreditraten anschließend für weitere 15 bis 20 Jahre in Anleihen und Aktien zu stecken.

Die Konzentration auf die "schnelle" Entschuldung des Eigenheims hat den Vorteil, dass in der Kreditphase jede Zinsänderung eliminiert werden kann. Hypotheken mit einer Laufzeit und Zinsbindung von 20 Jahren kosten zurzeit etwa 3 Prozent pro Jahr. Das bedeutet für jeden Eigenheimer, insgesamt 240 Raten à 555 € auf den Tisch zu blättern. Dafür gibt es erstens 100 000 €, zweitens die Garantie, dass der Zins fest ist, und drittens die Zusage, nach 20 Jahren schuldenfrei zu sein.

Der Vorschlag ist so einfach, so praktisch und so gut, dass er von Banken und Privatleuten kaum angenommen wird. Das hat mehrere Gründe. Raiffeisenbanken, Sparkassen und Volksbanken haben große Probleme mit der Refinanzierung "langer" Hypotheken, und zahlreiche Privatleute neigen, wenn es um Geld unter besonderer Berücksichtigung von Sollzinsen geht, zu verstecktem Geiz. In der Hoffnung, mit zwei Darlehen, deren Zins jeweils zehn Jahre gilt, hoffen sie, die Kosten der Finanzierung zu senken, und das führt, obwohl es abgelehnt wird, zu Zinsänderungsrisiken durch die Hintertür. Das wird mit Hilfe der Zinswaage deutlich.

Benötigt werden 100 000 €, die im Laufe von 20 Jahren in voller Höhe getilgt werden. Darlehen mit einer Zinsbindung von 20 Jahren kosten 3 Prozent pro Jahr, und Kredite mit einer Zinsbindung von 10 Jahren sind für 2 Prozent pro Jahr zu haben. Welche Lösung ist besser, kurz oder lang, welche Variante ist preiswerter? Die Frage lässt sich zwar nicht beantworten, doch die Antwort lässt sich zum Zwecke der Spekulation berechnen.

Maßgebend für den Vergleich sind die 555-€-Monatsraten der langen Zinsbindung. Sie werden einfach auf zwei kurze Varianten übertragen. Bei einem Zinssatz von 2 Prozent pro Jahr drücken 120 Monatsraten von jeweils 555 € die Schuld nach zehn Jahren auf 48 514 €. Werden auf diesen Betrag weitere 120 Raten von jeweils 555 € bezahlt, ist ein jährlicher Sollzins von 6,65 Prozent darstellbar, um nach insgesamt 20 Jahren ebenfalls schuldenfrei zu sein.

Das Ergebnis führt für den Schuldner, ersatzweise das Orakel von Delphi, zu der Frage, wo die Sollzinsen für zehnjährige Hypotheken in 120 Monaten stehen werden. Das weiß zwar kein Mensch, doch so wie sich einzelne Anleger "todsicher" sind, dass der deutsche Aktienindex Dax in zehn Jahren auf 7777 Punkte gefallen sein wird, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass es Menschen gibt, die genauso sicher wissen, dass Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung am 16. August 2024 nominal 4,44 Prozent kosten werden. Dann sollten diese Hellseher natürlich heute das Geld mit zehnjähriger Zinsbindung aufnehmen. Die unwissenden "Angsthasen" dagegen, die den Hypothekenzins in zehn Jahren bei 7,77 Prozent sehen, fahren mit der zwanzigjährigen Zinsbindung besser.

Angst, Gier und Lust sind bei vielen Geldgeschäften die treibenden Kräfte. Bei der Geldaufnahme dominiert die Angst vor Zinssteigerungen. Sie ist der Grund, warum das "gefährliche" Zinsdifferenz-Modell in Deutschland ein Mauerblümchen-Dasein fristet. Aktien auf Pump bringen die meisten Privatleute zwischen Kiel und Konstanz um den Schlaf. Umgekehrt wollen sich aber zahlreiche Schuldner nicht 20 Jahre binden, und das scheint, Zinsanstieg hin, Zinssenkung her, an der Sehnsucht nach Konsum und Lust zu liegen. Die meisten Leute wollen für 100 000 € keine 555 € pro Monat bezahlen. Das ist ihnen einfach zu viel. Sie wollen vielleicht 300 oder 350 € bezahlen, weil der Rest in den Konsum gesteckt wird, frei nach der Devise: Man lebt nur einmal, und dieses Leben findet heute statt.

Die Haltung ist verständlich, doch die Konsequenzen sind fragwürdig. Wer richtig auf den Putz hauen will, sollte auf Haus und Hypothek verzichten, und wer leben und wohnen will, sollte die Ausgaben für Eigenheim und Kredit begrenzen. Außerdem sollte er einen Bogen machen um Darlehen mit mäßiger Standardtilgung und die Hoffnung auf jährliche Sondertilgungen und um Kredite, die mit Hilfe von Bausparverträgen getilgt werden. Die beiden Lösungen sind zurzeit die Klassiker der Eigenheimfinanzierung, weil sie eine Mischung aus Flexibilität und Zinssicherheit versprechen. Das ist allen Unkenrufen zum Trotz aber nicht der Fall.

Die Entscheidung für niedrige Standardtilgung und hohe Sondertilgung setzt Disziplin voraus, welche die meisten Privatleute nicht haben. Beispiel: 100 000 € setzen bei einer Gesamtlaufzeit von 20 Jahren, einem Startzins von 2 Prozent und einem Anschlusszins von 3 Prozent jährliche Sondertilgungen von jeweils 2631 € voraus, wenn die Anfangstilgung lediglich 1,6 Prozent und die Monatsraten nur 300 € betragen. Die 2631 € mögen harmlos aussehen, doch die entscheidende Frage lautet doch, warum der Schuldner die monatlichen 219 € nicht von Anfang an in den Kredit einbindet. Hat er den Betrag nicht, oder will er diese Zusatzrate anders verwenden? Im ersten Fall ist mit Sicherheit der Kredit zu hoch, und im zweiten Fall ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das Verlangen nach Konsum zu hoch, und in beiden Fällen drohen die Schuldner auf Abwege zu geraten, wenn die Zinsen nach dem Ablauf der ersten Zinsbindung steigen. Wer nicht mehr als 300 € bezahlen kann, ist bei der Prolongation am Ende, und wer statt zehn Extraraten "bedauerlicherweise" nur fünf Sonderzahlungen geleistet hat, weil die Frau neue Schuhe, der Mann neue Hemden und die Kinder neue Handys brauchten, muss eben in Kauf nehmen, die Tilgung auf "unbestimmte Dauer" zu vertagen.

Der Kampf gegen solche "Widrigkeiten" ist das Steckenpferd der Bausparkassen. In enger Zusammenarbeit mit Banken machen sie Privatleuten das Angebot, Kredite und Sparverträge miteinander zu verbinden. Die Vertreter der Bausparkassen verkünden mit geschwellter Brust, ihre Kombinationen seien die beste Vorsorge gegen Endloskredite und Zinsänderungsrisiken, und eher wird ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, bevor die Damen und Herren der Bausparzunft zugeben werden, dass ihre Lösung nicht schlecht ist, es aber Varianten gibt, die noch besser sind. Um den "Unfug" der Kombidarlehen zu durchschauen, muss man von Finanzmathematik nicht viel verstehen. Da genügen Grundkenntnisse der Subtraktion. Warum soll man acht oder zehn Jahre lang ein Darlehen aufnehmen, das 2 oder 2,5 Prozent pro Jahr kostet, und im selben Zeitraum einen Bausparvertrag füttern, der zwischen minus 0,1 und plus 0,4 Prozent bringt? Das kann doch nicht klappen, weil der Sparer zehn Jahre eine negative Zinsdifferenz von 200 Basispunkten vor sich herschiebt. Unsinniger ist nur noch der Versuch, einen Dispokredit, der 10 Prozent kostet, mit einem Banksparplan tilgen zu wollen, der 2 Prozent bringt. Wilhelm Busch kam vor Jahrzehnten zu dem bemerkenswerten Schluss, es sei nicht von Vorteil, zwei Lausbuben am Samstagabend in einer Wanne zu baden. In Anlehnung an die geschliffenen Worte dieses Meisters kann die Moral von der Geschichte nur lauten: Stecke niemals einen Kredit und einen Bausparvertrag in eine Büchse. Der Schuss wird nach hinten losgehen. Die Verwendung der Bausparraten zur Tilgung des Kredites ist die bessere Lösung, und wenn die Büchse richtig angelegt worden ist, kann gar kein Zinsänderungsrisiko aufkommen!

 

4.   Vorsicht bei Erhöhung eines Kontoüberziehungsrahmens

"Der Bankberater hat Ihnen etwas Falsches erzählt"

Der mittelständische Unternehmer Gotzeina verklagt die Hypo-Vereinsbank auf Schadenersatz / FAZ 28.08.2014 von Maximilian Weingartner

Die Finanzkrise im Jahr 2008 hatte erst die Finanzmärkte ins Chaos gestürzt, dann trafen die Turbulenzen auch andere Wirtschaftszweige wie die Automobilindustrie hart. "Wir haben damals mit unseren Kunden gesprochen, ob sie Umsatzrückgänge haben", erzählt Bernhard Gotzeina, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Metallwerke in Thüringen. Diese bestätigten ihm Ende des Jahres 2008 den Nachfragerückgang und Anweisungen der Geschäftsleitung, die Bestände runterzufahren. "Das war natürlich für uns als Zulieferer ein Problem", sagt Gotzeina.

Anfang Februar 2009 nahm der Unternehmer deswegen Kontakt mit seinem Berater bei der Hypo-Vereinsbank auf und schilderte ihm die Situation. Nur zur Vorsorge, sagt Gotzeina. Mit mehr als 200 Mitarbeitern fertigt sein Unternehmen an den Standorten Eisfeld, Schönbrunn und Apolda fast alles, was mit Metall zu tun hat, zum Beispiel Präzisionsdrehteile und Gewindestangen. Und die Situation war so: Die Krise könne noch andauern, teilte Gotzeina seinem Berater mit, und es könnte sein, dass der Kontokorrentkredit über 300.000 €, den er bis dato nicht genutzt hatte, nicht reichen würde. Ob man sich nicht einmal Gedanken machen müsste, diesen sicherheitshalber ein bisschen zu erhöhen, fragte Gotzeina seinen Berater. "Das war alles", sagt der Unternehmer heute. Dann sei eine ganze Weile gar nichts passiert.

Die größte Sorge vieler Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt der ausbrechenden Wirtschaftskrise die immer schlechteren Konditionen für ihre Finanzierung. Banken versuchten mit aller Macht, die Risiken in ihren Bilanzen zu minimieren, und gaben sich restriktiv. Am größten war das Misstrauen unter den Geldhäusern selbst. Bislang drehten sich die bekannten Fälle, wie sich Banken vor und während der Krise verhalten haben, um komplexe Finanzderivate, die Bürger und Kommunen zum Verhängnis wurden.

Im April 2009 rief der Bankberater den Unternehmer Gotzeina wieder an und sagte ihm, dass er mit einem Sachbearbeiter aus Nürnberg bei ihm vorbeischauen möchte. Kurze Zeit später trafen sich die beiden Bankberater der Hypo-Vereinsbank, Gotzeina und sein Steuerberater. Er hätte sich die Sachen noch nicht angeguckt, aber er brauche ein Gutachten, sagte der Berater aus Nürnberg gleich zu Beginn, erinnert sich Gotzeina. Das Unternehmen wäre in Not. Gotzeina war baff, widersprach entschieden und wies darauf hin, dass er lediglich eine Erhöhung des Kontokorrentkredits ins Spiel gebracht hätte, von Not könne keine Rede sein.

Gotzeinas Unternehmen machte damals im Monat einen Umsatz von 1,4 Millionen €, und der Kontokorrentkredit lag bei 300.000 €. Diesen auf 500.000 € aufzustocken dürfte eigentlich nicht das Thema sein, findet Gotzeina. Nein, er brauchte deshalb kein Gutachten, sagte er dem Berater. Der ließ nicht locker. Das Gutachten wäre ja nur ein Finanzcheck, versuchte der Berater Gotzeina zu überzeugen, so teuer sei dieser ja gar nicht, würde nur ein paar tausend Euro kosten. "Nein, das habe ich nicht eingesehen, das Geld so zum Fenster hinauszuwerfen." sagt Gotzeina.

Noch eine ganze Weile ging es zwischen dem Berater und Unternehmer Gotzeina hin und her, berichtet Gotzeina - bis zum Sommer 2009, als der Berater sagte: Entweder lasse er, Gotzeina, jetzt ein Gutachten machen, oder er kündige alle Kredite. Gotzeina war wieder baff und fragte seinen Anwalt, ob sein Berater dies einfach so machen könne. Ja, antwortete dieser, unter Umständen schon. Man könnte dagegen klagen, aber das dauere. Gotzeina willigte daraufhin widerwillig ein, einen Gutachter zu beauftragen, und bekam von seinem Berater drei Experten vorgeschlagen. Gotzeina bestand auf einem Unabhängigen und ließ sich von einem Unternehmerverband jemanden empfehlen. Alle vier potentiellen Gutachter wurden befragt.

Einer der von der Bank vorgeschlagenen Gutachter räumte gleich zu Beginn der Vorgesprächs mit einem "Missverständnis" auf: Der Bankberater habe Gotzeina etwas Falsches erzählt, er habe den klaren Auftrag, ein vollständiges Sanierungsgutachten anzufertigen. Nix mit 7.000 €, da reden wir von 30.000 € und mehr, sagte der Gutachter.

Im Oktober 2009 lag das Gutachten vor und bescheinigte dem Unternehmen Gotzeinas eine positive Lage. Eine Finanzierungszusage für eine schon bestellte Maschine für 120.000 €, die Gotzeina auf Kredit kaufen wollte, wurde dennoch wieder zurückgezogen. Ende des Jahres 2009 meldete sich der Bankberater wieder und teilte mit, er glaube nicht, dass das Unternehmen es aus der Krise schaffe, sagt Gotzeina. "Dabei haben wir längst wieder schwarze Zahlen geschrieben", sagt der Unternehmer. Die Firma müsse von einem Berater begleitet werden, forderte der Banker. "Da habe ich gesagt, nein, das sehe ich nicht ein, das sind noch einmal mindestens 100.000 €." Der Bankberater entgegnete laut Gotzeina: Dann müssen wir Kredite kündigen. Kurz darauf kündigte die Bank Gotzeina vier Kredite über insgesamt fast 2 Millionen €, die er bei der Hypo-Vereinsbank in Luxemburg hatte und die bisher mit 2,2 Prozent verzinst wurden, und wandelte diese in einen Hausbankkredit mit Zinsen von 5,8 Prozent um.

Seit zwei Jahren streitet sich Gotzeina nun mit der Hypo-Vereinsbank in München vor Gericht und verklagt das Kreditinstitut auf Schadensersatz wegen der für ihn willkürlichen Kündigung der Kredite und den damit einhergehenden höheren Zinsen. Es geht um 350.000 €. Die Hypo-Vereinsbank lehnte mit der Begründung eines laufenden Verfahrens jeden Kommentar ab.