TAX - NEWS

Klienteninformation, verfaßt von Mag. Johannes Meller
Ausgabe Nr. 32 vom November 2007

Inhalt:

1.       Freibetrag für investierte Gewinne: Kauf von § 14-Wertpapieren in 2007 bietet Ansparmöglichkeit für Investitionen in 2008 und doppelte Nutzung des FBiG
2.       zu Allerheiligen passendes Thema: Fehler bei der Vermögensweitergabe von Todes wegen
3.       Die Angst vor einem Testament - und damit vor dem eigenen Tod - ist die größte Hürde vor einem Testament
4.       Vorsicht vor Hypotheken auf die eigene Immobilie und vor Betrügern

 

Zusammenfassung:

Der 1. Artikel zeigt Ihnen eine Möglichkeit, wie ein Freibetrag für investierte Gewinne für höhere Investitionen als 10% des Jahresgewinns genutzt werden kann, und zwar durch Ansparen mit einer Anleihe ein Jahr bzw. zwei Jahre vor der Großinvestition.

Ein juristischer Vortrag über "Fehler bei der Vermögensweitergabe von Todes wegen" hat häufig vorkommende Fehler behandelt, eine Kurzfassung dieses Vortrags finden Sie im
2. Artikel. Weiterführend zu diesem Thema behandelt der 3. Artikel die Angst vor der Abfassung eines Testaments.

Der 4. Artikel ist eine Warnung vor Betrügern im Zusammenhang mit Immobilienfinanzierungen.

 

1. Freibetrag für investierte Gewinne (FBiG): Kauf von § 14-Wertpapieren in 2007 bietet Ansparmöglichkeit für Investitionen in 2008 und doppelte Nutzung des FBiG

Ein Fotograf unter meinen Klienten möchte erst 2008 eine aus mehreren Geräten bestehende Kameraausrüstung um 6.000 € kaufen, weil diese 2007 nicht mehr lieferbar ist. Er schätzt seinen voraussichtlichen Gewinn 2007 mit 30.000 € ein.

Er hat die Möglichkeit, 2007 um 3.000 € eine Anleihe mit einer Restlaufzeit z.B. bis März 2008 zu kaufen. Aufgrund des FBiG verringert er seine Steuerbemessungsgrundlage 2007 um 3.000 €, er spart also 1.308 € Einkommensteuer 2007 (=3.000 € x 43,6%).

Im März 2008 wird die Anleihe getilgt, mit dem zurückerhaltenen Geld und mit weiteren 3.000 € investiert er in die Kameraausrüstung in Höhe von 6.000 €. Wenn er 2008 einen Gewinn von zumindest 30.000 € erwirtschaftet, kann er durch diese Investition seine Steuer-bemessungsgrundlage 2008 um 3.000 € reduzieren und spart wie bereits in 2007 nochmals 1.308 € an Einkommensteuer 2008. Die Behaltefrist für die Kameraausrüstung beträgt
4 Jahre ab 2008, die Frist läuft taggenau.

Ohne Kauf der Anleihe 2007 könnte dieser Fotograf 2008 den FBiG 2008 nicht voll ausnutzen, weil die Investition von 6.000 € höher als 10% des Jahresgewinns 2008 ist.

Durch die Anschaffung einer Anleihe oder eines § 14-Fonds halten Sie sich die Möglichkeit offen, das Geld 2008 in eine Geräteinvestition umzuschichten. Sie nutzen dadurch den FBiG bereits 2007 aus. Voraussetzung ist ein Gewinn 2007 von mehr als 10.000 €.

Nähere Informationen zum Thema FBiG finden Sie auf meiner Homepage unter
taxnews-31-200710-Sozialversicherungs-Werte-2007-Sozialversicherungs-Saetze-2007.htm

2. zu Allerheiligen passendes Thema: Fehler bei der Vermögensweitergabe von Todes wegen

Prof. Dr.  Wolfgang Zankl, Kontaktadresse wolfgang.zankl@univie.ac.at,

hat im Oktober 2007 in einem Vortrag über das Thema "Fehler bei der Vermögensweitergabe von Todes wegen" folgende häufige Fehler erwähnt:

  • Kein Testament: Auch wenn offensichtlich ist, daß der Erblasser nicht wollte, daß unbekannte, im Ausland lebende Verwandte oder verfeindete Verwandte erben, kann dem Willen des Erblassers nicht Rechnung getragen werden, wenn es kein schriftliches Testament gibt.
  • Ein Zusammenraufen der durch die gesetzliche Erbfolge bestimmten Erben klappt oft nicht, besonders wenn Unternehmensanteile vererbt werden.
  • Ein unwirtschaftlicher Verkauf von Nachlassteilen kann erforderlich werden, um Pflichtteilsansprüche in Geld erfüllen zu können. Lösungsvorschlag: Vermächtnis an Pflichtteilsberechtigten ca. in Höhe des Pflichtteilsanspruchs, dieser muß das akzeptieren, kann dann nicht Auszahlung in Geld verlangen.
  • Bei Erbschaft eines Unternehmens: Erben sind evtl. unzureichend qualifiziert für die Unternehmensnachfolge
  • Formvorschriften als Fehlerquelle: nur eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament ist ohne weitere Formvorschriften gültig, z.B. ist eine Videoaufnahme mit mündlich vorgetragenem letzten Willen ungültig.
  • Eine Treuhandschaft auf den Todesfall ist in österreich ungültig.
  • Eine Schenkung auf den Todesfall ist notariatsaktpflichtig, da sie unwiderruflich ist und keine sofortige übergabe erfolgt.
  • Eine überlebensbedingung im Testament ("Das Testament soll nur gültig sein, wenn der Geschenknehmer den Geschenkgeber überlebt.") ist gültig in österreich:

Ein Testament kann beim zentralen Testamentsregister vermerkt werden, ein Rechtsanwalt oder Notar bietet Ihnen diese Dienstleistung an und kann Ihnen Antwort auf allfällige weitergehende Fragen geben, ich nenne Ihnen gerne meine Kooperationspartner.

 

3. Die Angst vor einem Testament - und damit vor dem eigenen Tod - ist die größte Hürde vor einem Testament

"Die Psychologie stört beim Vererben"

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.11.2007, Nr. 258, S. 24

Teil IV der Serie "Erbfolgeplanung". Von Hans Flick und Frank Hannes

Die Tatsache, dass 70 Prozent aller Deutschen ohne Testament versterben, ist keineswegs das Ergebnis rationaler überlegungen. Im Gegenteil: Wer sich mit Weitblick der Erbfolgeplanung nähert, erkennt schnell die Notwendigkeit eines Testaments. Das gilt selbst bei kleinen Vermögen, bei denen zwar keine steuerlichen Belastungen zu befürchten sind, über dessen Verteilung und Verwaltung aber genauso heftig in der Familie gestritten werden kann wie über Großvermögen. Schon zur Erhaltung des Familienfriedens ist eine letztwillige Verfügung dringend erforderlich. Erst recht gilt dies bei besonderen familiären Strukturen (Patchwork-Familie) oder komplizierten Vermögensverhältnissen (Auslandsvermögen, Gesellschaftsbeteiligungen, Verbindlichkeiten). Die bei fehlendem Testament wirksame gesetzliche Erbfolge ist in der Durchführung kein Selbstgänger, sondern mit der Notwendigkeit einstimmiger Entscheidungen und der Möglichkeit jedes Erben, die gerichtliche Auseinandersetzung zu betreiben, ein Spielfeld für Querulanten und Erpresser.

Der Grund für die fehlende Bereitschaft zu testieren ist selten Nachlässigkeit oder fehlendes Problembewusstsein. Sie ist häufig die Folge einer mentalen Blockade. Die Angst vor dem Tod sperrt die Beschäftigung mit dem letzten Willen. Der amerikanische Schriftsteller William Saroyan hat am Ende seines Lebens bekannt, er habe immer gewusst, dass jeder Mensch irgendwann sterben müsse, aber aus unerfindlichen Gründen habe er immer geglaubt, speziell für ihn gelte eine Ausnahme. Wir bezeichnen diese Erscheinung als Testamentsphobie.
Wie bei allen solchen Prozessen wird versucht, die Irrationalität rhetorisch mit scheinbar logischen Erklärungen zu überspielen: Die Scheidung einer Tochter sei nicht durch, Verkaufsverhandlungen würden die Vermögensstruktur verändern, oder man habe gehört, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen demnächst ändern sollen. Diese Phobie durchzieht häufig die gesamte Erbfolgeplanung. Manche beschwichtigen sich selbst mit einem selbstgebastelten Testament. Das mag den vermeintlichen Vorteil haben, das Familienvermögen und eventuelle familiäre Probleme externen Beratern nicht offenbaren zu müssen, endet aber oft in einer Katastrophe für die Familie.

Karikaturisten, die derartige Situationen mit Vorliebe aufspießen, sehen das Problem so: Ein Erblasser wehrt sich telefonisch gegen eine Terminabsprache wegen der Testamentserrichtung mit der Rückfrage, ob die Sache nicht Zeit habe bis nach seinem Tode.

 

Besonders schwer, die Regelung der eigenen Nachfolge anzugehen, tun sich oft Unternehmer. Obwohl sie gewohnt sind, mit schwierigen Fragen rational umzugehen, schieben sie das Thema oft über Jahre vor sich her. Dabei macht die oft kompliziertere Vermögensstruktur eine rechtzeitige und ständig neu zu überdenkende Nachfolgeplanung unausweichlich. Gerade bei Unternehmern kommt jedoch neben der Testamentsphobie eine weitere psychologische Hemmschwelle hinzu: Sie können schlecht loslassen. Sie fürchten einen Macht- und Ansehensverlust und wissen nicht, was sie anschließend tun sollen. Sie spielen auf Zeit, weil der Nachfolger angeblich nicht fertig oder schon zu alt sei oder möglicherweise ausgewechselt werden müsse. Oder sie meinen, das Unternehmen sei in eine schwierige Phase geraten und ihre bewährten Erfahrungen würden gerade jetzt benötigt. Oder die erbschaftsteuerliche Lage sei im Augenblick nicht überschaubar, vielleicht werde die Nachfolge bald günstiger.

Bei solchen Ausreden kommt es häufig zum Generationenkonflikt. Der Senior zögert, der Junior drängt. Er muss die Weichen für seinen beruflichen Weg stellen, sonst ist er bald nicht nur für das elterliche Unternehmen, sondern auch für jede andere Karriere zu alt. Der Generationenkonflikt ist in dieser Phase nur verständlich. Er ist keine Familienschande, sondern psychologisch von beiden Seiten begründet. Umso wichtiger aber ist es, das Thema anzugehen. Die Einschaltung externer Berater bietet Fachwissen und kann zur Versachlichung beitragen. Schon aufgrund ertragsteuerlicher Risiken sollte über unternehmerisches Vermögen nicht einsam entschieden werden.

Oft wird als Ausrede auch vorgetragen, die Erbfolgeplanung habe Zeit, weil der neueste ärztliche Check-up keine Beanstandung ergeben habe und auch die Eltern über 90 Jahre alt geworden seien. Meist lässt sich dieses Argument mit dem Hinweis auf die Möglichkeit eines - unverschuldeten - Unfalltodes entkräften, was häufig zur Erkenntnis führt, dass es am besten wäre, noch im Anwaltsbüro ein Soforttestament zu errichten.
Nebenbei ist dieses Vorgehen der Bruch der Testamentsphobie. Man kann feststellen, dass ein Testament kein Todesurteil ist, und sich dann intensiver mit der Erbfolge beschäftigen. Gerade im Hinblick auf ein verlängertes Leben ist dazu zu raten, die letzte Phase des Lebens mit einer fertigen Nachfolgeplanung zu beginnen. Diese Phase ist nämlich unter Umständen belastet mit einem Abnehmen des persönlichen Durchsetzungsvermögens oder gar einer Testierunfähigkeit.

Eine weitere Blockade schafft bei vielen Eltern die Angst vor einer Verteilungsentscheidung. Gewiss fällt bei Nachlässen, die sich aus den unterschiedlichsten, teils schwer bewertbaren Vermögensgegenständen - wie Unternehmensbeteiligungen, Immobilien in unterschiedlichen Lagen, Fondsanteilen, Aktien oder Kunstgegenständen - zusammensetzen, eine vermeintlich gerechte Verteilung nicht leicht. Doch sollte dies nicht daran hindern, trotzdem, möglicherweise nach Aussprache mit den potentiellen Erben, mit einem testamentarischen Machtwort diese Entscheidung zu treffen und sie so den Hinterbliebenen abzunehmen. Denn die Feststellung, dass eine gerechte Verteilung des Nachlassvermögens nicht leicht fällt, ist bestes Indiz dafür, dass den Erben eine streitfreie Auseinandersetzung über das Erbe nicht gelingen wird. Die Vermeidung von Streit sollte vor allen wirtschaftlichen überlegungen und vor einem überhöhten Gerechtigkeitsstreben das vorrangigste Ziel des Erblassers ein.

Hans Flick ist Gründer und Frank Hannes Partner der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg, Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater mit Sitz in Bonn, Berlin und Frankfurt am Main.

 

4. Vorsicht vor Hypotheken auf die eigene Immobilie und vor Betrügern

"So viel Last, wie wir tragen können"

Die Immobilienkrise in Amerika bricht in den Alltag der Mittelschicht ein. Viele Hausbesitzer sind nicht nur Opfer ihrer Zahlungsunfähigkeit. Betrüger liegen auf der Lauer.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.10.2007, Nr. 231, S. 3, von Matthias Rüb

Wenn vom strahlend blauen Himmel die Sonne aufs Leben scheint, ist Gottvertrauen wahrscheinlich keine große Kunst. Wenn aber aus dunklen Wolken fortwährend Blitze in den Alltag krachen, dann schon. YaVonne English, 51 Jahre alte Mutter einer Tochter und Großmutter eines Enkelsohnes, hat ein bemerkenswertes Gottvertrauen. Sie steht in Silver Spring in der Oldham Road vor dem Haus mit der Nummer acht und erzählt von mancherlei Katastrophe, die ihr in den letzten Jahren widerfahren ist. "Gott legt uns nur so viel Last auf, wie wir tragen können", sagt sie. "Er hat seinen Plan, und er wird mir den Weg weisen. Auch wenn ich manchmal bei mir sage, dass es bald Zeit wäre damit."

Silver Spring ist eine gewachsene Vorstadt von gut 76 000 Einwohnern, unmittelbar nördlich der Stadtgrenze Washingtons gelegen. Knapp die Hälfte der Einwohner sind Weiße, jeder zweite von ihnen hat sich bei der Volkszählung von 2000 als Latino bezeichnet; 28 Prozent der Einwohner sind Schwarze, acht Prozent Asiaten, der Rest "Andere".

Silver Spring ist mithin die klassische amerikanische Lebenswelt. Hier ist Mittelstandsland, wo man nach Feierabend den Hund ausführt, joggen geht oder im Sligo Creek Park Fußball spielt.

YaVonne English hat es hier immer gut gefallen, und es gefällt ihr heute noch hier. Aber das Haus an der Oldham Road 8, das die Eltern 1970 für damals 36 000 Dollar gekauft und ihr später schuldenfrei vermacht haben, gehört ihr nicht mehr. Es wurde Ende 2006 verkauft für den stolzen Preis von 530 000 Dollar. Aber nicht von YaVonne English. Verkauft wurde es von einem Betrüger, der ihr im November 2005 versprochen hatte, sie aus tiefer finanzieller Not zu führen.

Dass sie keine Fehler gemacht habe, behauptet YaVonne English nicht, sie sei in Panik gewesen damals und habe eine große Dummheit begangen, sagt sie und kämpft mit den Tränen. Weil die Ehe mit dem Vater ihres Kindes geschieden wurde, die Tochter und die krebskranke Mutter versorgt werden mussten und zu alledem noch eine Geschäftsidee danebengegangen war, hatte sie das Haus nach und nach mit 150 000 Dollar beliehen. Das war nicht schwierig, denn ihre Kreditwürdigkeit war damals noch gut. Die Bank gab den Hypothekenkredit zu durchaus anständigen Zinsen, sieben Prozent. Bei der letzten Wertfeststellung des Landkreises Montgomery, der die Grundsteuer für Wohneigentum eintreibt, war der Hauspreis auf 340 000 Dollar festgelegt worden. Und das war um das Jahr 2002 noch deutlich weniger als der Marktpreis, denn die Immobilienpreise im ganzen Land, im Großraum Washington und erst recht im wohlhabenden Landkreis Montgomery stiegen und stiegen und stiegen - um sieben bis acht Prozent jährlich, in einigen Wohngegenden noch mehr.

Doch dann verlor YaVonne English ihre Arbeit als Projektleiterin für einen Trupp von Kabellegern bei dem Telekommunikationsunternehmen "WorldCom". Im Sommer 2002 musste die Firma nach einem Buchführungsskandal Konkurs anmelden. Um die Kreditraten zahlen und die Lebenshaltungskosten bestreiten zu können, hätte YaVonne English ein regelmäßiges Einkommen gebraucht. Verschiedene Jobs kamen zwar, aber sie gingen auch wieder. Im November 2005 schließlich drohte die Zwangsversteigerung des Hauses, weil sie mit mehreren Monatsraten für den Hypothekenkredit im Rückstand war.

Der Gedanke, das Haus der Eltern verlieren zu können, war ihr unerträglich. So geriet sie in die Fänge von "Dienstleistern" auf dem Kreditmarkt, die von der wachsenden Zahl der Zwangsvollstreckungen und der wachsenden Angst überschuldeter Hausbesitzer auf einem deutlich abgekühlten Immobilienmarkt profitieren. Man könnte auch vom unvermeidlichen Platzen der Immobilienblase sprechen. Dessen Knall rüttelte nicht nur die im Kreditwesen vielleicht doch zu nachlässigen staatlichen Aufsichtsbehörden wach, sondern rief auch Finanzjongleure auf den Plan, die in der Grauzone zwischen innovativen Kreditprodukten und offenem Betrug ihre Geschäfte machen.

Ein Kreditmakler empfahl YaVonne English einen sogenannten Investor, der seinerseits mit einer Immobilienmaklerin verheiratet war. Der "Investor" kaufte das Haus pro forma und unter Marktpreis für 300 000 Dollar. Gleichzeitig versprach er, die aufgelaufenen Hypothekenkredite der überschuldeten ehemaligen Eigentümerin abzulösen. Dazu sollte YaVonne English als Mieterin zu moderatem Mietzins in "ihrem" Haus bleiben und ihren einstigen Besitz nach einem Jahr zurückkaufen können, wenn sich ihre finanzielle Lage konsolidiert haben und auch ihre Kreditwürdigkeit wiederhergestellt sein würde. Eine Einmalzahlung von 30 000 Dollar des neuen Strohmann-Eigentümers zur überbrückung des finanziellen Engpasses versüßte für YaVonne English zusätzlich ein Geschäft, das zu schön schien, um wahr zu sein.

Nach Ablauf des Jahres verlangten der "Investor" und die Maklerin aber 500 000 Dollar für das Haus. Selbst dieser Preis konnte noch als angemessen gelten, denn er lag trotz der merklichen Abkühlung des Immobilienmarktes noch immer unter dem Marktpreis. Für die Alteigentümerin war ihr Haus damit vollends außer Reichweite geraten. Der "Investor", seinerseits kreditwürdig, hatte sich in der Zwischenzeit auf dem kaum regulierten Geldmarkt einen neuen Kredit beschafft - und zwar fast in der Höhe des vom Landkreis Montgomery geschätzten Verkehrswertes des Hauses. Davon konnte er nicht nur, wie versprochen, die von der einstigen Eigentümerin übernommenen Verbindlichkeiten in Höhe von 150 000 Dollar bei deren Bank ablösen. Er erhielt von seinem neuen Kreditgeber einen ansehnlichen Betrag als Verbrauchskredit in bar ausbezahlt. Dafür diente das nur teilweise beliehene Haus wiederum als Sicherheit.

Weil die ehemalige Eigentümerin das Haus an der Oldham Road 8 nicht zurückkaufen konnte, hat es der "Investor" inzwischen weiterverkauft, für 530 000 Dollar. Für den neuen Käufer war die aparte Mietvereinbarung zwischen dem "Investor" und YaVonne English selbstredend ohne Bedeutung. Er wollte in sein neues Eigentum sofort einziehen, setzte der Mieterin eine knappe Frist zum Auszug und wohnt seit etwa einem halben Jahr selbst in dem Haus. Er hält es mit dem Rasenmähen und Unkrautbekämpfen lange nicht so genau, wie es die Englishs all die Jahre seit 1970 getan haben.

YaVonne English wohnt mit ihrer mittlerweile 26 Jahre alten Tochter und dem sieben Jahre alten Enkelsohn seither in einer Mietwohnung in Silver Spring - nur ein paar Kilometer vom ehemaligen Haus der Eltern entfernt. Es ist lauter und schmutziger dort, die Wohnsiedlung liegt an einer stark befahrenen Straße. Dennoch will sie vorerst dort bleiben, weil der lernbehinderte Enkelsohn sich in seiner angestammten Schule daheim fühlt. YaVonne sucht auch wieder Arbeit, in der letzten Woche wurde sie abermals entlassen - aus der komplett abgewickelten Hypothekenkreditabteilung einer großen Bank.

Dass sie sich viel zu spät, erst als Haus und Geld verloren waren, an die Verbraucherschutzkommission des Landkreises Montgomery gewendet hat, weiß YaVonne English selbst. Dort weiß man, wie auch im Ministerium für Arbeit, Lizenzen und Verordnungen des Bundesstaates Maryland in Annapolis, dass der Fall YaVonne English zwar ein extremes Beispiel sein mag, aber bei weitem kein Einzelfall ist. Die Zahl der Zwangsversteigerungen ist in Maryland von 2500 in den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres auf jetzt 9000 von Januar bis Juli 2007 gestiegen; landesweit ist im gleichen Zeitraum ein Anstieg von 700 000 im Jahr 2006 auf bislang 1,1 Millionen Zwangsvollstreckungen zu verzeichnen. Maryland lag im Juni 2006 noch an 41. Stelle unter den 50 Bundesstaaten bei der Zahl der Zwangsvollstreckungen pro Einwohner, ein Jahr später ist der relativ wohlhabende Staat an der Ostküste auf den 16. Rang "aufgestiegen".

Einer der spektakulärsten Betrugsfälle wurde im Landkreis Prince George von Maryland, dem reichsten Landkreis mit einer schwarzen Bevölkerungsmehrheit im ganzen Land, verzeichnet. Dort führten eine ehemalige Striptease-Tänzerin und ihr Mann mit ihrem Unternehmen "Metropolitan Money Store" mehrere hundert Opfer hinters Licht, die einer Zwangsvollstreckung entgehen wollten - immer ging es nach dem Schema des Strohmannkaufs, der Vermietung an den ehemaligen Eigentümer und des versprochenen Rückkaufs nach Jahresfrist. Der allein durch dieses Unternehmen angerichtete Schaden wird auf 60 Millionen Dollar geschätzt.

"Wenn man leichter Hypothekenkreditmakler werden kann als zum Beispiel Friseur, stimmt etwas nicht mit unseren Zulassungsbestimmungen", sagt Tom Perez, Minister für Arbeit, Lizenzen und Verordnungen im Bundesstaat Maryland. "Wenn etwas zu gut erscheint, um wahr zu sein, dann kann es eben nicht wahr sein", sagt Perez, der Fälle wie jenen von YaVonne English als Anschauungsmaterial zur Warnung und Belehrung überschuldeter Hauseigentümer heranzieht. "Denn es trifft alle, nicht nur die ärmeren, nicht nur Schwarze und Latinos."

Perez fordert, wie auch die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton in dieser Woche, ein strengeres Regelwerk für Kreditmakler. Allein in den vergangenen zwei Jahren haben amerikanische und internationale Hypothekenbanken nach Schätzungen 1,2 Billionen Dollar Hypothekenkredite an Schuldner verkauft, die unter normalen Umständen auf die Verwirklichung des amerikanischen Traums vom Eigenheim noch hätten warten müssen, bis wenigstens ein wenig Kapital angespart sein würde. Weil die Preise für Häuser seit mehr als einem Jahr fast überall im Land sinken und in den meisten Bundesstaaten der Markt übersättigt ist, bleiben die überschuldeten Jungbesitzer auf ihren Häusern sitzen.

Der Zusammenbruch des amerikanischen Kreditmarktes im sogenannten "Subprime"-Segment hat die Finanzmärkte in aller Welt erreicht. Denn die Hypothekenbanken haben ihre Darlehen, zu Milliardenpaketen geschnürt, weiterverkauft an internationale Investoren und Hedge-Fonds, die auf der Suche nach Möglichkeiten waren, ihr Risikokapital anzulegen. Für Leute wie Perez in Maryland ist das keine überraschung. Für YaVonne English ist das alles kein Trost mehr. Wenn sie zu ihrem ehemaligen Zuhause in die Oldham Road in Silver Spring geht, biegt sie nur ungern in die Querstraße ein, die "Providence Avenue" - Allee der Vorsehung.